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Stadt-Land Vergleich der Spannungsqualität

Es heißt immer wieder, dass die Spannungsqualität im ländlichen Raum schlechter ist, als im städtischen Bereich. Zahlen werden dazu nicht veröffentlicht, da kaum welche zur Verfügung stehen. Ich habe aus aktuellem Anlass eine Beispiel-Woche für einen Vergleich herangezogen. Im folgenden Beitrag vergleiche ich die Messdaten von drei verschiedenen (selbst betriebene) Messstellen:

AliasFarbeRegionNetzbetreiber
StadtBlauGraz EggenbergStromnetz Graz GmbH
Land ARotSüdsteirisches GrenzgebietE-Werk Ebner GmbH
Land BGrünWaldheimat / JogllandEnergienetze Steiermark GmbH

Der dargestellte Zeitraum erstreckt sich über 1 Woche (von 09.04.2025 00:00 bis 16.04.2025 00:00) und zeigt die nach EN 61000-4-30 aufgerechneten 10-Minuten Werte. Gemessen wurde mit PQopen-Messgeräten.

Spannungshöhe

Gestartet wird mit der Spannungshöhe (Effektivwert).

Erkennbar ist hier deutlich, dass die Spannung bei Land A auf einem konstant hohen Pegel liegt, und durchaus die 250V Marke überschreitet. Auch Land B weist einen mittleren erhöhten Wert aus, die Werte in der Stadt hingegen bewegen sich fast um den Nennwert 230V. Des weiteren lässt sich eine tägliche Periodizität feststellen (Land A und B), die ein starker Hinweis auf den Einfluss der PV-Einspeisung ist. In der statistischen Verteilung sind diese Unterschiede noch deutlicher zu sehen:

Daraus lassen sich zwei Eigenschaften besonders herauslesen: Das tatsächlich auftretende Spannungsband ist in der Stadt nur halb so breit (~5V) wie am Land (~10V) und der Schwerpunkt der Verteilung liegt im ländlichen Bereich deutlich über dem Nennwert von 230V.

Update: 1-Jahres Trend Stadt & Land B

Für Stadt und Land B habe ich die Messung schon länger in Betrieb und kann somit auch die Spannung über ein Kalenderjahr darstellen. Dabei erkennt man noch besser den Unterschied zwischen den beiden Messstellen.

Harmonische Verzerrung

Kommen wir nun zur harmonischen Verzerrung (THD) der Spannung:

Auch hier gibt es eine ausgeprägte Periodizität im Tages-Intervall, vor allem im ländlichen Bereich. Auffallend ist der entgegengesetzte Trend zwischen Stadt und Land: Während am Land der THD-Wert in der Nacht höher ist als tagsüber, ist das in der Stadt umgekehrt.

Spannungsschwankungen (Flicker)

Dem Thema Flicker habe ich mich schon in einem vergangenen Beitrag gewidmet, wo es hauptsächlich um die Ursachenforschung ging. Interessant ist nun der Vergleich zwischen den den unterschiedlichen Messstellen:

Wie schon im erwähnten Beitrag festgestellt, schwankt der Pst Wert stark zwischen 0.2 und etwas über 1, wobei am Sonntag „Ruhe“ einkehrt. Die hohen Werte in der Stadt liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit am Grazer Elektrostahlwerk. Der Trend lässt sich aber auch im ländlichen Bereich feststellen, wenn auch in abgeschwächter Form. Hier tritt Sonntag tagsüber gegenüber der Stadt ein höherer Pegel auf, zurückzuführen auf höhere Nutzung von getakteten Haushaltsgeräten (Herd, Backofen, Hochdruckreiniger…).

Der für die EN 50160 relevante Langzeitflicker ist die „geglättete“ Form des Pst (Kubischer Mittelwert):

Symmetrie der Spannung

Ein weiterer Parameter der EN 50160 ist die Höhe des Gegensystems bzw. die Unsymmetrie des 3-Phasigen Netzes. Das Nullsystem wird dabei nicht beachtet, ich habe es aber dennoch in diese Auswertungen mit aufgenommen.

Nullsystem

Denn dabei kann abgelesen werden, wie gut die Verteilung von 1-phasigen Verbrauchern auf die jeweiligen Phasen ist und ob die Netzimpedanz eher niedriger oder höher ist.

Im städtischen Bereich liegen hier die Werte im Bereich bis 0.5%, während im ländlichen Bereich teilweise Ausschläge bis 2.5% sichtbar sind. Das ist aber nicht weiter beunruhigend. Der höhere Pegel im ländlichen Raum lässt sich durch die stärkere Beeinflussung durch die umgebenden Anschlüsse durch die größeren Leitungslängen und damit höheren Impedanzen zurückführen.

Gegensystem

Das Gegensystem entspricht im Wesentlichen einem gegenläufigen Drehfeld, welches durch unsymmetrische Belastung sowie Leitungsführung entsteht. Dieses führt in Drehstrommotoren zu zusätzlichen Verlusten und somit thermischen Belasungen und gilt deshalb möglichst klein zu halten. Der Grenzwert liegt bei 3%.

Spannungseinbrüche und Überhöhungen

Als letztes Parameter-Paar vergleichen wir nun die Spannungseinbrüche und Überhöhungen. Dabei werden Spannungseinbrüche erfasst, wenn die Momentanspannung (1-Perioden Wert mit aktualisierung jeder Halbperiode) unter 207V fällt (-10% von 230V) und Spannungsüberhöhungen bei Überschreitung von 253V (+10% von 230V). Als Kennwerte dienen Maximalwert und Dauer des Ereignisses.

In der linken Grafik sieht man, dass der eingangs erwähnte hohe Spannungspegel bei der Messstelle Land A, häufig auch das vorgesehene Spannungsband von +-10% überschreitet. D.h. in diesem Netzgebiet herrscht temporär zu hohe Spannung, was z.B. eine Ausbau von PV-Anlagen nicht mehr möglich macht. Abhilfe könnte der Netzbetreiber durch Reduktion des mittleren Spannungswerts schaffen, entweder im übergeordneten Mittelspannungsnetz oder durch einen Stufenschalter am Ortsnetztrafo, wenn dieser über einen verfügt.

Des weiteren ist ein Spannungseinbruch (wie oben beim Flicker schon erwähnt) an allen drei Messstellen simultan erkennbar. In der rechten Tabelle ist ersichtlich, dass die Abstände der Ereignisse nur im Millisekunden-Bereich voneinander abweichen. Das lässt den Schluss zu, dass es im überregionalen Netz zu einem Fehler gekommen ist, der aber schnell wieder (durch ein Schutzgerät) behoben wurde.

Fazit

Dieser Vergleich der Spannungsqualität zwischen Graz (Stadt) und dem ländlichen Raum in der Steiermark zeigt deutliche Unterschiede. Während die Stadt mit einem relativ stabilen Spannungsniveau aufwartet, offenbart der ländliche Raum eine deutlich dynamischere und komplexere Situation.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Spannungshöhe: Der ländliche Raum weist tendenziell höhere Spannungswerte auf, die kurzzeitig die zulässigen Grenzen überschreiten. Dies kann die Integration weiterer PV-Anlagen erschweren und erfordert möglicherweise Maßnahmen des Netzbetreibers zur Spannungsreduktion.
  • Harmonische Verzerrung: Die Periodizität der harmonischen Verzerrung zeigt einen gegensätzlichen Trend zwischen Stadt und Land, was auf unterschiedliche Einflussfaktoren hindeutet.
  • Flicker: Obwohl in beiden Bereichen Flicker auftritt, scheint die Stadt stärker von der Industrie beeinflusst zu werden, während im ländlichen Raum der Einfluss durch die einzelnen Verbraucher größer zu sein scheint.
  • Unsymmetrie: Der ländliche Raum zeigt eine höhere Unsymmetrie der Spannung, was auf die Verteilung von Verbrauchern und die größeren Leitungslängen zurückgeführt werden kann.

Die Ergebnisse unterstreichen, dass die Spannungsqualität im ländlichen Raum eine größere Herausforderung darstellt. Die höheren Spannungswerte, die größeren Schwankungen und die höhere Unsymmetrie erfordern eine genaue Beobachtung und gegebenenfalls gezielte Maßnahmen zur Verbesserung. Während die Stadt durch die hohe Vermaschung und kurzen Leitungslängen glänzt, muss der ländliche Raum, vor allem im Hinblick auf die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien, verstärkt in den Fokus gerückt werden.

Hier habe ich nur den Ausschnitt einer Woche gezeigt, ich werde die nächsten Monate die Daten weiter Sichten und im Sommer vermutlich ein Update machen.

Euer Michael

1 Gedanke zu „Stadt-Land Vergleich der Spannungsqualität“

  1. Hohe Spannungen – auch wenn sie noch im Normbereich von <253 Volt liegen, führen zu rascheren Alterungsprozessen bei Isolationen und elektronischen Bauteilen, was zu einem früheren Ausfall führen kann …

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