Das Dilemma der doppelten Netzgebühren
Der volatile Börsenstrompreis sieht verlockend aus, um mit einem Batteriespeicher Handel zu betreiben. Nur geht die Rechnung nicht ganz auf: Beim Beladen der Batterie mit Strom aus dem öffentlichen Netz müssen genauso wie bei jeder Verbrauchsanlage, zusätzlich zu den Energiekosten Netzkosten bezahlt werden. Ein zweites Mal werden diese Kosten bei der Anlage fällig, die diesen Strom (wenn die Batterie entlädt) bezieht. Dieser Effekt macht das Geschäft für beide Seiten, den Speicherbetreiber als auch den Endkunden, unattraktiv. Aber schauen wir uns einmal gemeinsam die Kosten an, die ein Speicher bzw. Speicherbetrieb verursacht und durch ein Geschäftsmodell gedeckt werden müssen.
- Investitions- und Betriebskosten
- Einsatzszenarien: Betrachtung der Einsparungen und Erlösstruktur
TL;DR
Die umfassende Analyse zeigt, dass die Kosten noch zu hoch sind, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen. Es benötigt zusätzliche Anreize oder technische Vorteile, um beim Ausbau der Batteriespeicher voran zu kommen. Das ELWG Neu, welches in den nächsten Monaten erwartet wird, könnte Verbesserungen, insbesondere beim Entfall der Netzgebühren, bringen.
Szenario | Kosten pro umgewälzter kWh | Erzielbare Einsparungen bzw. Erlöse |
---|---|---|
Arbitragehandel | 14.8 bis 22.6 ct | 9.7 ct |
Ergänzung Erzeugungsanlage | 21.6 ct | 13.7 ct |
Ergänzung Verbrauchsanlage | 10.8 ct | 1.5 ct Netz + 9.7 ct Energie |
Ergänzung Prosumeranlage | 21.6 ct | 7.8 ct Netz + 15 ct Energie – Einspeisetarif |
Kosten
Wichtiger Hinweis: Alle Kosten wurden ohne STEUER betrachtet!
Kostenarten
Zunächst betrachten wir die Kosten, die unabhängig vom Betrieb anfallen:
- Investitionskosten
- Wartungskosten
Diese Kosten können als fixe Kosten je kWh über die Lebensdauer betrachtet werden.
Zusätzlich entstehen je nach Betriebsmodell variable Kosten:
- Netzkosten
- Verlustkosten (werden in der weiteren Betrachtung aber als Teil der Wartungs- bzw. Betriebskosten geführt, da mit einer hohen Ausnutzung der Betriebszyklen gerechnet wird)
Beispielrechnung
Um die Kosten je kWh abschätzen zu können, brauchen wir zusätzlich folgende Parameter:
- Erwartete Armortisationszeit und/oder
- Erwartete Zyklenanzahl bzw. technisch garantierte Zyklenanzahl
Konkret könnte das wie folgt aussehen
Amortisationszeit | 10 Jahren |
Garantierte Zyklenanzahl | 6000 (entspricht ~ 1.5 Zyklen je Tag für 10 Jahre) |
Anschaffungskosten (Batterie, Wechselrichter, Infrastruktur) | 500 €/kWh |
Wartungskosten (+Verluste) | 15 €/kWh/a (30 kWh Verluste pro Jahr je kWh bei 95% Round-Trip Wirkungsgrad und Kontrollen/Serviceirrung) |
Gerechnet auf 10 Jahre, ergeben sich Fixkosten von 500€/kWh + 10*15 €/kWh = 650 €/kWh
Das entspricht bei der erwarteten Zyklenanzahl von 6000: 650 €/kWh / 6000 = 10.8 ct/kWh
Die im Speicher umgewälzte kWh kostet demnach 10.8 ct/kWh
Um den Speicher wirtschaftlich betreiben zu können, müssen demzufolge Erlöse durch den Energieverkauf oder Einsparungen beim Energieeinkauf von mindestens 10.8 ct/kWh erzielt werden können.
Einsparungen und Erlösquellen
Die zu erwirtschaftenden Erlöse pro kWh sind beträchtlich. Es gibt im Energiesystem derzeit mehrere Möglichkeiten, die ich hier vorstellen möchte. Auf die Teilnahme an Regelenergiemärkten gehe ich nicht ein, da dieses Potential in Österreich gut bedient ist.
Einsparungen
Den höchsten wirtschaftlichen Vorteil bietet die Kostenreduktion durch Optimierung des Netzbezugs:
Zeitliche Verschiebung des Netzbezugs | – Energiekosten minimieren durch optimale Beschaffung am Strommarkt – Netzkosten minimieren durch Spitzenlastreduktion |
Verbesserte Nutzung der eigenen Erzeugung | Vermeidung von Netzbezug (Energie- und Netzkosten) |
Erlöse
Eine weitere Variante ist der tatsächliche Verkauf von Strom
Zeitliche Verschiebung der Einspeisung | – Maximierung des Erlöses durch Einspeisung zu optimalen Zeitpunkten |
Szenarien: Positionierung des Speichers
Grundsätzlich kann der Stromspeicher an verschiedenen Stellen des Netzes aufgestellt und betrieben werden. Typisch unterscheidet man zwischen vier verschiedenen Arten:
- Standalone: Der Speicher ist die einzige Anlage am Zählpunkt und wird nur zum Handel mit Strom betrieben
- Ergänzung zur Erzeugungsanlage: Am Zählpunkt einer PV oder Windkraftanlage wird der Speicher zur zeitlichen Verschiebung der Erzeugten Energie verwendet
- Ergänzung einer Verbrauchsanlage: Speicher dient der zeitlichen Verschiebung des Netzbezugs
- Ergänzung einer Prosumer-Anlage: Optimierung der Eigenverbrauchsquote
Standalone
Der Standalone-Betrieb steht öffentlichkeitswirksam immer ganz vorne: Es wird davon gesprochen, Speicher hier und da zu Platzieren, dann wird alles gut.
Leider ist das unter den aktuellen regulatorischen Voraussetzungen nicht so einfach. Denn der Speicher wird während des Ladevorgangs als „normale“ Last gesehen und muss wie jeder andere auch Netzgebühren bezahlen. Diese müssen bei der Vermarktung zusätzlich erlöst werden können. Die Netzgebühren betragen im österreichischen Schnitt je nach Netzebene
Exkurs: Systemnutzungsentgelte
Die Systemnutzungsentgelteverordnung (SNE-V) legt die von den Netzbetreibern für die von den Netznutzern zu verrechnenden Tarife fest. Der größte Posten bei den Entgelten stellt der Netzbezug dar, für Einspeiser gibt es nur sehr geringe Entgelte.
Die Tarifstruktur sieht vor, dass eine Leistungspauschale (Mittelwert der 12 Monatsmaxima) sowie ein Arbeitsabhängiges Entgelt verrechnet wird. Um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen, hier ein paar Beispiele mit verschiedenen Leistungen, die beim Betrieb mit einem Batteriespeicher auftreten könnten.
Netzebene | Beispielleistung | Leistungspreis/a | Arbeitspreis+ Verlustentgelt/kWh |
---|---|---|---|
3 (110 kV) | 10 MW | 388 500 € | (0.65 + 0.13) = 0.78 ct |
5 (10/20/30kV) | 1 MW | 60 680 € | (1.78 + 0.2) = 1.98 ct |
7 (230/400V) | 100 kW | 7 147 € | (4.55 + 0.53) = 5.08 ct |
7 Pauschal | 10 kW | 48 € | (6.84 + 0.53) = 7.37 ct |
Quelle: https://www.e-control.at/industrie/strom/strompreis/systemnutzungsentgelte
Würde man nun einen Batteriespeicher mit 10 MW Leistung (und 20 MWh Energie) an der Netzebene 3 zum Handel nutzen wollen, muss die gesamte Energie muss vom Netz bezogen werden. Dabei ergeben sich folgende spezifische Kosten:
- Leistungskosten: 388 500 * 10 / (6000 * 20000) = 3.2 ct/kWh
- Arbeitskosten: 0.78 ct/kWh
In Summe ergeben sich zusätzliche variable Kosten von ca. 4 ct/kWh. In nachfolgender Tabelle sind die variablen Kosten für weitere Beispiele angeführt:
Netzebene | Batterie | Variable Kosten |
---|---|---|
3 | 10 MW / 20 MWh | 4 ct/kWh |
5 | 1 MW / 2 MWh | 7 ct/kWh |
7 | 100 kW / 200 kWh | 11.8 ct/kWh |
7 Pauschal | 10 kW / 20 kWh | 7.8 ct/kWh |
Die Spreizung der Netzkosten je Netzebene geht von 4 ct/kWh bis zu 11.8 ct/kWh. Diese Kosten müssen zusätzlich zu den fixen Kosten erwirtschaftet werden können. Gemeinsam mit den Invesitionskosten entspricht das Gesamtkosten von 14.8 bis 22.6 ct/kWh, die durch innovative Geschäftsmodelle oder andere Anreize refinanziert werden müssen. Durch den scheinbar attraktiven Arbitragehandel lässt sich das nicht erzielen, die mittlere tägliche Spreizung betrug im Jahr 2024 an der Strombörse (AT) „nur“ 9.7 ct/kWh.
Ergänzung zur Erzeugungsanlage
Ein alternatives Nutzungsszenario bietet die Ergänzung einer Erzeugungsanlage mit einem Batteriespeicher. Dabei wird Strom zu Zeiten mit niedrigen Preisen zurückgehalten (also gespeichert) und bei hohen Preisen wieder entladen. Die Spreizung der Börsenstrompreise ist typisch an sonnen- und windreichen Tagen höher, und somit durchaus attraktiv für den Speicherbetrieb. Ein praktischer Kennwert wäre der maximal erzielbare Preis je Tag, dieser lag im Mittel bei 13.6 ct/kWh. Aufgrund Wetterabhängiger Erzeugung aus Wind und PV können aber keine 1.5 Zyklen pro Tag (ursprünglich angenommene Zyklenzahl) erreicht werden, es sind max 1, eher aber 0.7, da im Winter und Zeiten „schlechten“ Wetters durch generell hohe Preise direkt eingespeist wird, oder zu wenig Energie zur Beladung des Speichers vorhanden ist. Dadurch verteuert sich die umgewälzte kWh auf das doppelte, nämlich auf über 21.6 ct/kWh. Das bedeutet, dass auch hier kein wirtschaftlicher Betrieb unter den betrachteten Rahmenbedingungen erzielt werden kann.
Ergänzung zur Verbrauchsanlage
Hier liegt der umgekehrte Fall vor. Das Betriebsmodell sieht vor, den Strom zu günstigen Zeitpunkten zu speichern und zu anderen Zeiten zu verbrauchen. Man spricht von Lastverschiebung. Zusätzlich lassen sich durch intelligenten Einsatz Netzkosten in Form von reduzierten Leistungskosten einsparen.
Tritt z.B. eine Spitzenlast von 2x Normallast für 1-2 Stunden am Tag auf, könnte die Leistungsbezogene Netzgebühr um 50% gesenkt werden.
Netzbezug Energie | 4 GWh | |
Netzbezug Spitzenleistung | 2 MW (für 2h) | 121 360€/a bzw. 3 ct/ kWh |
Median-Leistung (Werktag) | 500 kW |
Bei Einsatz eines 1 MW Speichers könnte (bei Beladung mit max. 500 kW) die Spitzenlast von 2MW auf 1 MW reduziert werden, was einer Einsparung von mageren 1.5 ct/kWh entspricht. Der Großteil der Einsparungen (mind. 9.3 ct/kWh) müsste über geschickten Energieeinkauf erzielt werden.
Ergänzung zur Prosumer-Anlage
Der bisher wirtschaftlich sinnvollste Betrieb ist die Ergänzung einer Erzeugungs- und Verbrauchsanlage (Prosumer) mit einem Speicher zur Maximierung der Eigenbedarfsdeckung.
Durch die Vermeidung von Netz- und Energiekosten ist ein annähernd wirtschaftlicher Betrieb erzielbar.
Eigenbezug | 12 000 kWh | 0 ct/kWh | 0 € |
Netzbezug (Restbezug) | 10 000 kWh | 7.8 ct/kWh + 15 ct/kWh | 2 280 € |
Einspeisung (Überschuss) | 20 000 kWh | -5 ct/kWh | -1000 € |
Summe | 1 280 € |
Ergänzt man diese Anlage nun mit einem 30 kWh Speicher, kann folgende Rechnung angestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass auch hier bezügich der erzielbaren Zyklenzahl das selbe gilt wie bei Szenario „Ergänzung der Erzeugungsanlage“. Darum müssen wir hier höhere Kosten für die Batterienutzung angesetzt werden:
Eigenbezug | 12 000 kWh | 0 ct/kWh | 0 € |
Eigenbezug Batterie | 8 000 kWh | 21.6 ct/kWh | 1728 € |
Netzbezug (Restbezug) | 2 000 kWh | 7.8 ct/kWh + 15 ct/kWh | 456 € |
Einspeisung (Überschuss) | 12 000 kWh | – 5 ct/kWh | -600 € |
Summe | 1 584 € |
Auch hier ergeben sich entgegen der Erwartung höhere Kosten beim Einsatz eines Batteriespeichers, auch wenn die Differenz hier nicht mehr so groß ist. Sinkende Einspeisetarife und weiter sinkende Preise für Heim-Batteriespeicher könnten hier eine baldige Trendumkehr einläuten.
Fazit
Ein Speicher lohnt sich trotz der gefallenen Anschaffungskosten nach wie vor nicht, wenn die Szenarien getrennt voneinander betrachtet werden. Auch für mich ist das Ergebnis überraschend, da ich mit einer besseren Wirtschaftlichkeit gerechnet habe. Sieht man sich die Erlös bzw. Einsparungsseite an, könnte es bei 30% niedrigeren Speicherpreisen zu einer Parität kommen. Durch die hohen Spreizungen ist es wichtig, jeden Einzelfall getrennt zu betrachten und tatsächliche Erzeugungs- und Netzbezugsprofile zur Wirtschaftlichkeitsrechnung heranzuziehen. Deshalb mein Appell: Nutzt den Smart-Meter Opt-In um 15-Minuten Profile für Bezug und Einspeisung zu erhalten, dessen Auflösung reicht aus, um gezielte Betrachtungen durchzuführen.
Damit auch andere Betriebsmodelle, die vor allem aus Sicht der Systemstabilisierung Sinn machen, wirtschaftlich werden können, müssen Anreizsysteme geschaffen werden. Z.B. wären dynamische Netztarife für netzfreundliches Verhalten eine Lösung, oder die Reduktion von Netzgebühren beim Laden aus dem Netz. Das könnte helfen, den Netzausbau schlank zu halten.
Trotz reduzierter Netzkosten bei Erneuerbaren Energiegemeinschaften ist auch dort der häufig gewünschte Anwendungsfall eines Quartier-Speichers nicht wirtschaftlich. Für Energiegemeinschaften sollte ein Speicherbetrieb an einem eigenen Zählpunkt kostenlos sein, da dieser durch seine inhärente Nutzung per se schon netzdienlich ist und Kosten des Netzbetreibers reduzieren kann.
Euer Michael